a_little_life

„So if you see us sitting on beaches with a big book, weeping, you’ll know why.“

Die perfekte Strandlektüre für alle, die sich einmal so richtig schön den Urlaub verderben wollen: A Little Life der amerikanischen Autorin Hanya Yanagihara.

Glücklicherweise habe ich den 700-Seiten-Wälzer erst zum Ende meines Kreta-Urlaubs angefangen und ihn zu Hause fertig gelesen, so war nur ein Berliner Herbstwochenende im Eimer. Noch nie so ein abgrundtief trauriges Buch gelesen. Abgesehen davon ist es auch ein absoluter Pageturner: ab der ersten Seite entwickelt die Geschichte über die vier College-Freunde JB, Jude, Willem und Malcom, die sich in New York ein Leben aufbauen, einen Sog, dem man sich kaum entziehen kann. Im Mittelpunkt steht der attraktive und hochtalentierte Jude, der eine so traumatische Kindheit und Jugend hinter sich hat, dass er seine Dämonen auch im Erwachsenenalter nicht abschütteln kann – trotz inniger Freundschaften und beruflichem Erfolg. Ich möchte nicht zu viel verraten, aber dass es kein Happy End geben wird, wird von Anfang an durch den rückblickenden Erzähler angedeutet. So werden selbst die glücklichen Szenen von einer dunklen Vorahnung überschattet.

Beim Lesen musste ich an Lars von Triers Film Breaking the Waves denken, an die Art und Weise, wie beim Zuschauer bzw. der Leserin Gefühle durch erzählerische Stilmittel geradezu erzwungen werden. Breaking the Waves ist ja auch so ein Heulkrampf auslösender Film – toll, aber eindeutig darauf angelegt, das Publikum in tiefe Verzweiflung zu stürzen, wie Lars von Trier selbst sagte, „to make women cry“. Bei aller Begeisterung für die Qualitäten von A Little Life  – die genaue Beobachtung, die Lebendigkeit der Charaktere – stellte sich bei mir während des Lesens auch das unangenehme Gefühl ein, emotional manipuliert zu werden. Natürlich sind alle fiktionalen Werke darauf ausgelegt, Gefühle auszulösen – aber ist es nicht ein Unterschied, ob eine lustige Passage einen zum Lachen bringt, oder man nach dem Lesen eines Buches so mitgenommen ist, dass man Abendeinladungen absagen muss?

And yet, as readers, don’t we read fiction exactly to be upset?

A Little Life ist ein herausragendes Buch, in seiner Brutalität, seiner radikalen Hoffnungslosigkeit, aber auch in der Relevanz und Aktualität seiner Themen. Ich glaube, das ist es, was amerikanische Literatur häufig interessanter für mich macht als deutschsprachige: beim Lesen von A Little Life erfährt man etwas darüber, was es bedeutet, heute Mensch in dieser Welt zu sein:

„But these were the days of self-fulfillment, where settling for something that was not quite your first choice of life seemed weak-willed and ignoble. Somewhere, surrendering to what seemed to be your fate had changed from being dignified to being a sign of your own cowardice. There were times when the pressure to achieve happiness felt almost oppressive, as if happiness were something that everyone should and could attain, and that any sort of compromise in its pursuit was somehow your fault.“

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